Ein Praxisleitfaden (Teil 2)
Wie setzen Unternehmen Predictive Planning ein und um?
Jedes Unternehmen kann seine Planung und sein Forecasting mittels entsprechender Predictive Planning-Methoden verbessern. Dazu bedarf es einer fokussierten Herangehensweise, um die vorhandenen Ressourcen treffsicher einzusetzen und schnell Ergebnisse zu erhalten. Folgender Leitfaden zeigt Controllern in konkreten Schritten, wie sie die optimalen Bedingungen schaffen, um Predictive Planning-Methoden in ihrem Unternehmen einzusetzen.
Predictive Planning in 5 Schritten (Teil 1): Schritt 1 und 2
Schritt 3: Der Single Point of Truth
Das Prinzip der sogenannten „Plattformisierung“ gewinnt im Rahmen der Digitalisierung zunehmend an Bedeutung. Ziel der Unternehmen ist es, einen Single Point of Truth herzustellen. Dabei gilt es, Datenredundanzen zu vermeiden und die Interpretationsspielräume weitestgehend einzuschränken. Jeder Wert sollte nur einmal existieren und von jedem Sachbezug auf seinen Ursprung zurückverfolgt werden können. In der Praxis wird dies häufig durch den Einsatz geeigneter Standardsoftware abgebildet, die basierend auf einem einheitlichen Datawarehouse die horizontale und vertikale Datenintegration gewährleistet. Diese technologische Voraussetzung bietet auch die Basis für das gesamte Automatisierungspotenzial das in der Unternehmenssteuerung eingesetzt werden kann.
In der unternehmerischen Praxis geht mit der Schaffung eines Single Point of Truth-Konzeptes häufig ein Datenintegrationsprojekt einher. Dabei werden die Prozesse des Datenexports und Datenimports homogenisiert. Das bedeutet, dass moderne Controlling-Systeme direkt auf den Ist-Datenbestand des Unternehmens zugreifen – und zwar genau dort, wo er erhoben wird. Die technische Integration der Controlling-Plattformen mit den Vorsystemen erfolgt über ein Datawarehouse. Den Controllern ist es so möglich, aus den jeweiligen Anwendungen heraus einen Wert nachzuverfolgen bis auf die unterste Ebene. Dies stellt in der Finanzbuchhaltung beispielsweise die Belegebene dar. In CRM- oder ERP-Systemen ist es der einzelne Datensatz.
Softwareanbieter haben für diese Anwendungsfälle in der Regel bereits die passenden Schnittstellen zu den jeweiligen Vorsystemen im Angebot. Die aktuelle Lünendonk Studie „Der Markt für Business Intelligence und Business Analytics in Deutschland“ spiegelt die Wichtigkeit dieses Themas wieder. Schnittstellenoffenheit und dezentrale Verteilung von Daten- und Reportings sind die TOP-Themen, die mittelständische Anwenderunternehmen als Anforderungen an die Hersteller richten.
Die Vorteile stellen sich wie folgt dar:
- Vermeidung von Insellösungen sowie Fehlern aufgrund heterogener Import- und Exportvorgänge und Quellen
- Vermeidung von Black-Box-Verhalten durch transparente Rechenwege im Wertefluss
- Vermeidung von Datenredundanzen im Berichtswesen
- Erkennung von Ursache-Wirkungszusammenhängen im Kontext der Abweichungsanalysen
- Schaffung der Voraussetzungen für ein unternehmenseinheitliches Realtime-Reporting
Schritt 4: Integration in die Planung
Neben der einheitlichen technologischen Basis, die es zu schaffen gilt, werden darauf aufbauend die einzelnen Teilplanungen betriebswirtschaftlich in eine unternehmensweite Gesamtplanung integriert.
In diesem Schritt liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung eines durchgängigen Planungsmodells und der Verknüpfung der operativen Teilpläne mit der integrierten Finanzplanung und gegebenenfalls einem durchgängigen Wertefluss bis zur Konsolidierung. Je intensiver eine Planung integriert ist, desto präziser sind in der Regel die Planungsergebnisse, desto ineinandergreifender auf jeden Fall die unterschiedlichen Planungsebenen (Erfolg – Finanzierung – Vermögensänderung). Die auf den operativen Teilplänen aufbauende Sichtweise auf die Erfolgs- und Finanzlage gewinnt an Aussagekraft, sobald die Abhängigkeiten zwischen den Teilplänen berücksichtigt und diese nahtlos in die Ergebnisplanung eingeflossen sind.
Diese Integration stellt sicher, dass das Planungsmodell ein passendes Abbild des Unternehmens sowie seines Umfelds darstellt und somit geeignet ist, die bestmögliche Ausrichtung dieses Unternehmens mit seinen Innen- und Außenbeziehungen zu unterstützen. Gleichzeitig stellt das Planungsmodell die notwendige Basis aller anzuwendenden Planverfahren dar.
Schritt 5: Anwendung in der Planung – ein „How to“ für den Start
Durch die steigende Volatilität gewinnt das Thema „Flexibilisierung der Planung“ an Bedeutung. Eine wesentliche Herausforderung des Controllings ist es, dem Management mit geringem Einsatz von Mitteln und einer schnellen Durchlaufzeit aussagekräftige Planzahlen zur Verfügung zu stellen. Unterschiedliche Aspekte der Top-down-Orientierung sind heute die gängigsten fachlichen Ansätze, um die Planung effizienter zu gestalten. Das Ziel ist es, im Durchlauf der Planung durch möglichst wenige Abstimmungsrunden die Effizienz zu steigern.
Folgende Ansätze können dazu beitragen:
- Die Verteilung von zentral vorbereiteten Werten für die einzelnen Planungsbereiche
- Das Bereitstellen von Planungsparametern wie Zinssätzen oder Rohstoffpreisen
- Die Festlegung von Top-down-Vorgaben
Stochastische und mathematische Verfahren – die zu den Predictive Planning-Ansätzen zählen – werden dabei maßgeblich zur Erstellung des Forecasts eingesetzt.
Ein stochastischer Prozess ist die mathematische Beschreibung von zeitlich geordneten, zufälligen Vorgängen. Somit bilden Wahrscheinlichkeitsrechnungen in Verbindung mit mathematischen Schätzverfahren (mathematische Statistik) das mathematische Teilgebiet der Stochastik (vgl. Wikipedia). Stochastische Prozesse und Verfahren werden in der betrieblichen Praxis zu Prognoserechnungen genutzt und setzen bereits bestehendes Datenmaterial als Erhebungsgrundlage voraus.
Da der Forecast als Planungsszenario immer die Ist-Entwicklung und somit reale Zahlenreihen der Vergangenheit enthält, eignet er sich besonders für fortschreibende Planverfahren. Beim Einsatz eines stochastischen Verfahrens ist es zunächst für Controller relevant, das zum Geschäftsmodell des Unternehmens passende Verfahren auszuwählen.
Folgende Trendverfahren kommen in der betrieblichen Praxis häufig zur Anwendung:
- Linearer Trend (Regression)
- Logarithmischer Trend (Regression)
- Exponentieller Trend (Regression)
- Geometrischer Trend (Regression)
- Exponentielle Glättung mit variabler Dynamik
- 3-fachübergreifendes gleitendes Mittel mit variabler Gewichtung
- 5-fachübergreifendes gleitendes Mittel mit variabler Gewichtung
- Fortgeschriebenes arithmetisches Mittel
Geeignete Trendberechnungen für das jeweilige Geschäftsmodell können im Näherungsverfahren ausgewählt werden. Dies bedeutet, es gibt nicht für einen bestimmten Anwendungsfall das konkret zu verwendende stochastische Verfahren. Zur Überprüfung, welches Verfahren zum jeweiligen Planungsmodell des Unternehmens passt, kann folgendermaßen vorgegangen werden:
- Zuerst sind Werte auszuwählen, die sich für den Einsatz eines stochastischen Verfahrens eignen. Dies sind in der Regel Positionen mit hohem Standardisierungspotenzial und einem möglichst langen Vergangenheitszeitraum.
- Dann kann über den Ist-Datenbestand das Trendverfahren analysiert werden. Empfehlenswert ist eine visuelle Darstellung um „Ausreißer“ zu erkennen.
- Nun ist das Verfahren auf einen vergangenheitsorientierten Zeitraum anzuwenden. Die auftretende Abweichung zeigt auf, wo das mathematische Verfahren noch justierbar ist.
- Schließlich ist das ausgewählte Verfahren auf das Forecasting anzupassen und anwendbar.
Bei der Anwendung der entsprechenden Verfahren auf die Bestandsanalyse und die Berechnung zukünftiger Plan- und Vorschlagswerte erweisen sich im Controlling Standardsoftwarelösungen häufig als zielführend.
Die Grenzen des Einsatzes – Ein Fazit
Das größte Potenzial für statistische Prognosen liegt neben der Beschleunigung und der Automatisierung des Forecastings dort, wo man aus vorauseilenden Indikatoren auf detaillierter Ebene Hochrechnungen durchführen kann. Selbst wenn der Hochrechnung eine optimal aufbereitete Datenbasis zugrunde liegt, gibt es viele Einflüsse, die nicht aus vergangenheitsbezogenen Daten abgeleitet werden können. Planmodelle sollten daher rollierend überdacht und überarbeitet werden. Die Planung sollte im Unternehmen als fester Bestandteil der Unternehmenssteuerung verankert sein und die Basis aller Entscheidungen sein. Dabei müssen die Verantwortlichkeiten zur Erfüllung der Planungsaktivitäten und Entscheidungskompetenzen im gesamten Unternehmen klar geregelt sein.
Der zentrale Treiber im Umgang mit Volatilität und digitaler Veränderung ist eine offene Performance-Kultur. Dies bedeutet in vielen Fällen einen grundlegenden Kulturwandel. Die höhere Planungsunsicherheit erfordert sowohl Trial-and-Error-Verfahren als auch eine Kultur des offenen Informationsaustausches, um das Potenzial der möglichen Planverfahren durch die Digitalisierung auszuschöpfen. Flexible Arbeitsweisen und dynamische Teams sind daher für den Einsatz von Predictive Planning-Methoden unerlässlich.
Predictive Planning hat das Potenzial, die Unternehmensplanung entscheidend weiterzuentwickeln. Den nachhaltigen Erfolg sowie die Effizienz einer integrierten Unternehmensplanung sichern professionelle Softwarelösungen. Das verbindet die Stärken des Controllings mit den Vorteilen der Maschine: Ist in der Praxis Kreativität gefragt, sind für diese Aufgaben Planer und Controller zuständig. Gibt es wiederum klare Regeln für eine Hochrechnung, ist es potenziell eine Aufgabe der Maschine, beziehungsweise der Softwarelösung.